Studie: Steigende ortsübliche Mieten erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter einkommensschwachen Mietern die radikale Rechte durchsetzt

In den letzten Jahren hat sich ein besorgniserregender Trend in der deutschen Gesellschaft abgezeichnet: Die steigenden Mieten in unseren Städten scheinen nicht nur Wohnraumprobleme zu verursachen, sondern auch politische Auswirkungen von erheblicher Tragweite nach sich zu ziehen. Eine neue Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) legt nun nahe, dass steigende Mietkosten – selbst wenn sie nicht unmittelbar zur eigenen Mieterhöhung führen – bei Mietenden das Gefühl wirtschaftlicher Unsicherheit und die Angst vor Wohnungsverlust verstärken. Diese Emotionen können dazu führen, dass besonders einkommensschwache Langzeitmieter:innen stärker zur Unterstützung rechtsextremer Parteien tendieren.

Der Zusammenhang zwischen Wohnungsnot und Wahlverhalten

Die Forscher des MZES haben dabei eine bemerkenswerte Korrelation entdeckt: Ein Anstieg der Durchschnittsmiete um einen Euro pro Quadratmeter in einer Region erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass einkommensschwächere Mieter:innen die AfD unterstützen, um bis zu vier Prozentpunkte. Dieser Effekt zeigt sich insbesondere in städtischen Gebieten, wo Gentrifizierung und steigende Mietpreise bereits seit Jahren zum Thema geworden sind. Während viele Eigenheimbesitzer von steigenden Immobilienpreisen profitieren, leiden Mieter unter dem Gegenteil – einer kontinuierlichen Erosion ihrer Wohnqualität und Sicherheit.

Um diesen Zusammenhang besser zu verstehen, ist es wichtig, die soziokulturellen Veränderungen im Kontext der Gentrifizierung zu betrachten. In Vierteln wie Neukölln oder Reinickendorf in Berlin erleben Bewohner:innen drastische Veränderungen: Nachbarschaften wandeln sich, Freund:innen und Bekannte werden durch steigende Wohnkosten verdrängt, und die soziale Struktur der Communities bricht auseinander. Diese Entwicklungen verstärken soziale Spannungen und beeinflussen das Wahlverhalten. Menschen, die sich bedroht fühlen, neigen dazu, ihre Unsicherheit an politischen Alternativen auszulassen, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Identität bieten – oft auf Kosten faktischer Argumentation.

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Warum steigende Mieten die Unterstützung rechter Parteien befeuern

Um den Mechanismus genauer zu beleuchten, greifen wir auf die Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) zurück, das über Jahrzehnte hinweg detaillierte Informationen zu Haushalten sammelt. Diese Studie kombiniert persönliche ökonomische Daten wie Beruf, Einkommen und politische Einstellungen mit lokalen Mietmarktdaten. Das Ergebnis ist erschreckend klar: Sowohl tatsächliche Mieterhöhungen als auch das Wahrnehmen steigender Mieten in der Umgebung führen bei Menschen mit niedrigem Einkommen zu einem Gefühl latenter Bedrohung. Dieses Gefühl kann leicht instrumentalisiert werden, insbesondere von Parteien wie der AfD, die ihre Agenda auf Frustrationen und Ängste bauen.

Ein weiterer interessanter Aspekt der Studie ist die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Während Haushalte mit hohem Einkommen von steigenden Mieten und einer „Aufwertung“ ihrer Nachbarschaft profitieren könnten, fühlen sich Haushalte mit niedrigem Einkommen bedroht. Sie sehen ihre wirtschaftliche Situation gefährdet und ihr sozialer Status wird untergraben. Diese Dynamik ist besonders in städtischen Gebieten ausgeprägt, wo Gentrifizierung und Wohnungsnot Hand in Hand gehen.

Internationale Perspektive und vergleichende Analysen

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Entwicklung nicht nur ein deutsches Phänomen ist. Auch in anderen europäischen Ländern zeigen sich ähnliche Muster. Laut Eurostat sind die Mieten in der EU-27 in den letzten zehn Jahren durchschnittlich um 14,6 % gestiegen – ein Wert, der große regionale Unterschiede verschleiert. In städtischen Gebieten, in denen zwei Drittel der europäischen Bevölkerung leben, sind die Preissteigerungen noch dramatischer. Die Konsequenzen sind weitreichend: Zwangsräumungen, Kriminalität und Obdachlosigkeit nehmen zu, was wiederum die soziale Kohäsion weiter schwächt.

Andere Studien, wie jene von Held und Patana (2023), bestätigen diese Befunde. Sie argumentieren, dass rechtsradikale Parteien erfolgreich sind, wenn sie wirtschaftliche Themen wie steigende Mieten in einen kulturellen Rahmen stellen, der Migration und Konkurrenz um Ressourcen thematisiert. Dies ermöglicht es ihnen, Wähler:innen für ein Problem zu mobilisieren, das eigentlich rein ökonomischer Natur ist. Darüber hinaus dokumentieren Fetzer et al. (2023) die negativen Folgen von Kürzungen der Wohnbeihilfen, darunter eine geringere politische Beteiligung und eine Verschlechterung der Lebensqualität.

@dielinkebt Mieten steigen nicht – sie werden erhöht. Heute startet die Mietenkampagne der Linken im Bundestag. Heidi Reichinnek und Caren Lay haben zusammen mit Ines Schwerdtner die Notwendigkeit dieser Kampagne erläutert. Jeder Mensch hat das Recht auf eine bezahlbare Wohnung. Mehr Infos gibt es unter mieten.dielinkebt.de @Heidi Reichinnek, MdB @Caren Lay, MdB @ines_schwerdtner #miete #mieter #mieten #mietwohnung #mietrecht #mietendeckel #mietenwahnsinn #wohnung #wohnen #wohnungssuche #wohnungsmarkt #wohnungsbau #sozial #gerecht #gerechtigkeit #sozialegerechtigkeit #wohnraum #bezahlbarerwohnraum #dielinke #dielinkeimbundestag #linksfraktion #opposition #bundestag #deutscherbundestag ♬ Originalton – Die Linke im Bundestag

Was können wir daraus lernen?

Die Ergebnisse dieser Studie lassen mehrere Schlussfolgerungen zu. Erstens: Die Politik muss die Wohnungsfrage ernster nehmen. Es geht nicht nur darum, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sondern auch die sozialen und psychologischen Auswirkungen von Wohnungsnot zu berücksichtigen. Maßnahmen wie Mietpreisbremse, Förderung von Sozialwohnungen und Schutz langjähriger Mieter könnten helfen, die Spannungen zu mildern.

Zweitens: Die Integration von wirtschaftlichen und sozialen Aspekten in die politische Debatte ist entscheidend. Rechtsradikale Parteien nutzen die Frustration vieler Menschen geschickt, um sie für ihre Agenda zu gewinnen. Linke und liberale Kräfte müssten daher aktiv werden, um alternative Lösungen anzubieten und den Diskurs über Wohnraumprobleme zu dominieren.

Drittens: Die Medien spielen eine wichtige Rolle. Indem sie die Komplexität der Wohnungsfrage aufzeigen und die menschlichen Geschichten hinter den Zahlen sichtbar machen, können sie dazu beitragen, dass die Öffentlichkeit ein tieferes Verständnis dafür entwickelt, wie wirtschaftliche Probleme politische Auswirkungen haben.

Fazit

Die Studie des MZES macht uns bewusst, dass die Wohnungsfrage nicht nur ein rein wirtschaftliches Problem ist, sondern tiefgreifende soziale und politische Konsequenzen haben kann. Steigende Mieten und Gentrifizierung können dazu führen, dass sich einkommensschwache Mieter:innen von traditionellen Parteien abwenden und stattdessen rechte Populisten unterstützen. Um diesen Trend zu bekämpfen, müssen wir uns gemeinsam für gerechtere Wohnbedingungen einsetzen und die politischen Strukturen reformieren, die diesen Prozess begünstigen. Nur so können wir verhindern, dass wirtschaftliche Unsicherheit weiterhin Nährboden für extremistische Bewegungen bietet.

Lassen Sie uns also nicht länger stillsitzen. Die Zukunft unserer Städte und die Stabilität unserer Demokratie hängen davon ab, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen.

Die Kurz-URL des vorliegenden Artikels lautet: https://klassengesellschaft.com/1avs

Über Schwabing Dog

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Hundeaffiner Frührentner & politischer Aktivist, der gerne seine Privatsphäre pflegt. Als tierliebende Betreuungsperson von Fellnasen mag ich besonders gern anspruchsvolle Charakterhunde (Sturrköpfe), die bei mir auch mal so richtig aufdrehen (toben) dürfen.

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