Struktureller Klassismus im deutschen Bildungssystem: Warum das System nicht für alle gemacht ist

Liebe Leser*innen,

heute möchte ich mit Ihnen über ein Thema sprechen, das uns eigentlich alle betrifft, aber selten offen diskutiert wird: den strukturellen Klassismus in unserem Bildungssystem. Ja, Sie haben richtig gelesen – Klassismus. Ein Wort, das viele Menschen im deutschen Sprachraum lieber vermeiden, weil es somehow zu emotional oder gar “nicht mehr relevant” erscheint.

Lassen Sie uns also einmal die rosa Brille absetzen und realistisch werden: In Deutschland sind wir Weltmeister im Erzeugen von Bildungsungleichheiten. Und nein, das hat nichts damit zu tun, dass manche Kinder einfach “weniger motiviert” sind. Es geht viel tiefer.

Die Verteilung der privaten Vermögen in Deutschland ist übrigens die ungleichste in ganz Europa. Die obersten 10% besitzen fast zwei Drittel des gesamten Nettovermögens, während 40% unserer Bevölkerung praktisch kein eigenes Kapital haben. Das bedeutet: Diese Menschen müssen jeden Cent dreimal umdrehen, nur um ihren Alltag zu finanzieren.

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Aber kommen wir zum Kern der Sache: Wie funktioniert dieser Klassismus konkret im Bildungsbereich?

Stellen Sie sich vor, Sie wachsen in einer Familie auf, wo das monatliche Einkommen kaum reicht, um Miete, Strom und Lebensmittel zu bezahlen. Eine Nachhilfestunde? Luxus! Ein teures Internat? Träumen wir weiter! Selbst ein neues Schulbuch kann eine finanzielle Herausforderung darstellen.

Und dann gibt es da noch diese subtilen Signale, die einem schon früh klarmachen, ob man “dazugehört” oder nicht. Ob es die Kleidung ist, die Eltern bei Elternabenden tragen, oder die Art und Weise, wie sie mit Lehrkräften sprechen. Alles signalisiert: “Du bist anders.”

Nun könnte man sagen: “Na ja, wenn die Eltern nur mehr Wert auf Bildung legen würden…” Falsch gedacht! Diese defizitorientierte Perspektive ist Teil des Problems. Sie verschiebt die Verantwortung von der Gesellschaft auf die betroffenen Familien.

Pierre Bourdieu, dieser geniale französische Soziologe, hat es bereits vor Jahrzehnten beschrieben: Soziales Kapital ist der echte Trumpf im Leben. Haben Sie gute Kontakte? Kennen Sie die richtigen Leute? Dann können Sie sich oft durchschlagen, selbst wenn Ihre Noten nicht perfekt sind.

Interessanterweise spricht man in Deutschland lieber von “Lebenslagen” statt von Klassen. Ist das Zufall? Ich denke nicht. Denn wenn wir von Klassen sprechen, werden Ungleichheiten sichtbar. Und wer will das schon sehen?

Besonders schmerzhaft trifft dieser Mechanismus Kinder mit Migrationshintergrund. Wenn Deutsch nicht die Muttersprache ist, muss man nicht nur akademische Hürden nehmen, sondern auch sprachliche. Und raten Sie mal, was passiert? Richtig: Man wird schnell als “problematisch” eingestuft.

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Was können wir also tun? Zunächst einmal: Über diese Themen sprechen. Die Stigmatisierung von Menschen in Armut beenden. Und politisch Druck ausüben, damit endlich eine soziale Infrastruktur geschaffen wird, die wirklich allen zugänglich ist.

Vielleicht sollten wir uns auch fragen: Warum feiern wir immer nur die wenigen “Erfolgsgeschichten” von Menschen aus armen Verhältnissen, die es trotzdem “geschafft” haben? Weil sie beweisen, dass das System fair ist? Nein, genau das Gegenteil: Sie zeigen, wie unglaublich schwer es ist, gegen Windmühlen zu kämpfen.

Tanja Abou formuliert es brillant: Wir brauchen einen systematischen Wandel. Nicht mehr individualisierende Schuldzuweisungen, sondern solidarische Handlungen. Zusammen können wir dieses ungerechte System ändern. Oder wollen wir wirklich weiterhin dulden, dass Talent und Potenzial einfach verschwendet werden, nur weil jemand zufällig in die falsche Familie hineingeboren wurde?

Bleiben Sie gespannt auf weitere Artikel zur Thematik!

Mit herzlichen Grüßen,
Schwabing Dog

PS: Und falls Sie jetzt denken “Das ist doch alles nur linksgrüne Propaganda” – fragen Sie sich bitte einmal ernsthaft: Wer profitiert von dieser Denkweise? Diejenigen, die das System verstehen und nutzen können. Genauso einfach ist das.

Die Kurz-URL des vorliegenden Artikels lautet: https://klassengesellschaft.com/bildung

Über Schwabing Dog

Avatar von Unbekannt
Hundeaffiner Frührentner & politischer Aktivist, der gerne seine Privatsphäre pflegt. Als tierliebende Betreuungsperson von Fellnasen mag ich besonders gern anspruchsvolle Charakterhunde (Sturrköpfe), die bei mir auch mal so richtig aufdrehen (toben) dürfen.

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