In einer Zeit, woMobilität als grundlegender Baustein sozialer Teilhabe anerkannt wird, erschüttert der mögliche Ausstieg der CDU/CSU aus dem erfolgreichen Deutschlandticket-Modell die Grundlagen sozialer Gerechtigkeit in unserem Verkehrssystem. Der Vorschlag einflussreicher Union-Politiker, das Ticket nach 2025 nicht zu verlängern, stellt nicht nur eine finanzielle Herausforderung für Millionen Nutzer dar, sondern bedroht auch die Chancengleichheit im Zugang zu Bildung, Arbeit und Freizeitaktivitäten.
Die aktuelle Situation zeigt dramatische Diskrepanzen: Während das Deutschlandticket für über 13 Millionen Menschen monatlich sicheren Zugang zum ÖPNV gewährleistet, drohen nun diese Fortschritte wieder zunichtezumachen. Besonders betroffen wären hierbei Haushalte mit Kindern, die laut EU-Daten ein erhöhtes Risiko von Armut haben und somit besonders von erschwinglichen Mobilitätsangeboten profitieren.
Historische Parallelen und systemische Muster
Ein Blick in die Geschichte offenbart eine jahrzehntelange Präferenz der Unionsparteien gegenüber dem motorisierten Individualverkehr (MIV). Seit den 1990er Jahren wurden Milliarden Euro in Infrastrukturen für Autos geflossen, während der Schienenverkehr systematisch vernachlässigt wurde. Diese autozentrierte Politik manifestiert sich bis heute:
• Zwischen 1994 und 2022 erhielt die Automobilindustrie über 60 Milliarden Euro an direkten und indirekten Subventionen auf Bundes-, Landes- und EU-Ebene.
• Gleichzeitig sank die Bahninvestitionshöhe kontinuierlich, was zur heutigen Infrastrukturschwäche der DB beigetragen hat.
• Der Vergleich der Staatshaushalte zeigt: Pro Kopf werden beim MIV mehr als doppelt so viele öffentliche Mittel ausgegeben wie beim ÖPNV.
Diese Ungleichgewichte manifestieren sich heute in einer krisenhaften Situation bei der Deutschen Bahn, die trotz ihrer Monopolstellung im Fernverkehr mit einem jährlichen Verlust von 2,4 Milliarden Euro kämpft. Der Bundesrechnungshof kritisiert seit Jahren die ineffektive Kontrolle des Bundes als Alleineigentümer der DB AG, ohne dass sich die Zuständigkeitsstrukturen wesentlich verbessert hätten.
Soziale Konsequenzen und alternative Lösungsansätze
Das geplante Ende des Deutschlandtickets würde direkt in die soziale Mobilitätsarmut zurückführen. Experten schätzen, dass insbesondere einkommensschwache Haushalte schwer unter steigenden Kosten leiden würden. Eine Studie des Paritätischen Gesamtverbandes zeigt, dass bereits jetzt jeder vierte Deutsche Schwierigkeiten hat, seine Mobilitätsbedarf zu finanzieren.
Als konkrete Alternative wird daher ein bundesweites Sozialticket für 25 Euro pro Monat diskutiert. Dieses Modell wäre nicht nur sozialgerechter, sondern könnte auch durch Umschichtung bestehender Subventionen finanziert werden. Die Umleitung von Mitteln aus dem MIV-Bereich in den öffentlichen Nahverkehr wäre dabei ein logischer Schritt.
Fazit: Eine Frage der Prioritäten
Die Entscheidung über das weitere Schicksal des Deutschlandtickets ist mehr als eine rein finanzielle Überlegung – sie ist ein klares Signal für die Richtung unserer Verkehrspolitik. Wählen wir weiterhin die autozentrierte Route der letzten Jahrzehnte oder setzen wir endlich auf inklusive, nachhaltige Mobilität? Die Antwort liegt bei den Verantwortlichen in Berlin – und die Bevölkerung hofft inständig, dass sie die richtige Wahl treffen.
Dieser Beitrag soll nicht allein kritisieren, sondern vor allem Lösungen aufzeigen. Denn nur durch gemeinsames Handeln können wir sicherstellen, dass Mobilität wieder zu einer Selbstverständlichkeit für alle wird – unabhängig von sozialem Status oder Wohnort.
Klassengesellschaft Deutschland Die sozioökonomische Ungleich nimmt zu