Liebe Leserinnen und Leser,
heute möchte ich mit Ihnen über ein Thema sprechen, das uns alle betrifft – ob wir es nun wahrhaben oder nicht. Es ist ein Thema, das tief im Gewebe unserer Gesellschaft verankert ist, aber selten offen angesprochen wird: der Klassismus. Ein Wort, das vielen noch fremd erscheint, dabei jedoch tagtäglich Leben prägt, Chancen blockiert und Ungerechtigkeiten weiterhin reproduziert.
Was genau ist Klassismus?
Klassismus ist eine Form von Diskriminierung, die aufgrund einer Zuordnung zu einer bestimmten sozialen Klasse stattfindet. Anders als Rassismus oder Sexismus, die oft sichtbar und direkt erlebbar sind, ist Klassismus subtiler, aber deshalb nicht weniger schädlich. Er zeigt sich in Vorurteilen, Stereotypen und strukturellen Hindernissen, die Menschen aus armen oder weniger privilegierten Hintergründen täglich begegnen.
Denken Sie einmal darüber nach: Warum wird jemand, der einen Minijob hat, oft als faul oder unqualifiziert abgestempelt? Warum werden Kinder aus ärmeren Haushalten weniger häufig ermutigt, höhere Bildungsziele anzustreben? Warum sehen wir in den Medien immer wieder dieselben Bilder von „Arbeitslosen“, die angeblich nur herumsitzen und Sozialleistungen kassieren? Diese Muster sind Ausdruck eines tiefsitzenden Klassismus, der uns blind gegenüber den wirklichen Strukturen macht, die Armut produzieren.
Die Verstrickung von Armut und Gesundheit
Eine der traurigsten Konsequenzen von Klassismus ist die enge Verbindung zwischen Armut und schlechter Gesundheit. Studien zeigen immer wieder, dass Menschen, die in Armut leben, häufiger an chronischen Krankheiten leiden und eine kürzere Lebenserwartung haben. Doch warum ist das so? Weil sie sich keine gesunden Lebensmittel leisten können? Weil sie in Wohnungen leben, die schlecht isoliert sind oder in Umgebungen, die von Lärm und Verschmutzung geprägt sind? Weil sie oft in körperlich anstrengenden Jobs arbeiten, die ihre Gesundheit belasten?
Ja, all das stimmt. Aber es gibt noch einen weiteren Faktor: Stress. Der ständige Druck, Geld für die Miete zusammenzukratzen, den nächsten Behördenbrief zu verstehen oder einfach nur genug zu essen auf den Tisch zu bringen, frisst an der Psyche. Und dieser Stress führt dazu, dass viele Menschen aus ärmeren Verhältnissen mehr rauchen, trinken oder andere Genussmittel konsumieren – nicht weil sie es wollen, sondern weil sie einen Ausweg suchen aus ihrer prekären Situation.
Doch statt diese Bedingungen zu thematisieren, individualisieren wir das Problem. Wir reden davon, dass „die Armen“ selbst schuld seien, wenn sie krank werden. Wie unfair ist das denn? Statt die Strukturen anzupacken, die Armut reproduzieren, machen wir die Betroffenen dafür verantwortlich.
Frauen im Fokus: Ein feministischer Blick auf Klassismus
Wenn wir über Klassismus sprechen, dürfen wir die spezifischen Herausforderungen von Frauen keinesfalls außer Acht lassen. Besonders betroffen sind alleinerziehende Mütter, die ein viel höheres Armutsrisiko haben als andere Bevölkerungsgruppen. Dies hängt nicht zuletzt mit sexistischen Strukturen zusammen, die Frauen weiterhin in unterbezahlte oder unsichere Jobs drängen.
Nehmen wir zum Beispiel den Niedriglohnsektor: Hier arbeiten überwiegend Frauen in Pflegeberufen, Kindergärten oder Reinigungsdiensten. Diese Arbeit wird zwar als „notwendig“ beschrieben, doch wird sie kaum angemessen entlohnt. Ist das gerecht? Würde man einen Mann, der denselben Job macht, genauso wenig bezahlen? Ich denke, die Antwort liegt auf der Hand.
Eigene Erfahrungen mit Klassismus
Um diesen Artikel nicht zu trocken und theoretisch werden zu lassen, möchte ich kurz auf persönliche Geschichten eingehen. Sebastian Friedrich, Journalist und Autor, berichtet eindringlich davon, wie er selbst mit Klassismus konfrontiert wurde. Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter, die verschiedene niedrig bezahlte Jobs hatte, erlebte er früh, was es bedeutet, arm zu sein. Die ständige Angst vor Schulden, die Scham darüber, keine neuen Kleider kaufen zu können, und die Diskriminierung durch Mitschüler – all das prägte seine Jugend.
Friedrichs Geschichte zeigt, dass Klassismus nicht nur ein abstraktes Konzept ist, sondern etwas, das echte Menschen in ihrem Alltag beeinträchtigt. Es ist nicht nur ein Mangel an Geld, der die Qualitäten unseres Lebens bestimmt, sondern auch die Art und Weise, wie wir von anderen wahrgenommen werden.
Was können wir tun?
Um den Klassismus in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, müssen wir zunächst einmal offen darüber sprechen. Es reicht nicht aus, uns darüber zu ärgern oder einzelne Vorfälle zu kritisieren. Wir müssen systematisch vorgehen:
Bildung : Wir brauchen mehr Aufklärung über die Auswirkungen von Klassismus. Schulen, Universitäten und Medien sollten aktiv werden, um Bewusstsein zu schaffen.
Politik : Politiker*innen müssen endlich Maßnahmen ergreifen, um die sozialen Ungleichheiten zu reduzieren. Das kann bedeuten, den Mindestlohn zu erhöhen, Sozialleistungen besser zu finanzieren oder Wohnraum für alle erschwinglich zu machen.
Medienkritik : Lasst uns kritisch mit den Medien umgehen! Fordern wir authentische Darstellungen von Menschen aus allen sozialen Schichten und weigern uns, bei stereotypen Bildern mitzumachen.
Selbstreflexion : Am Ende kommt es darauf an, dass jeder* von uns sich fragt: Welche Vorurteile hege ich selbst? Wie kann ich meinen Beitrag leisten, um fairer und aufgeschlossener zu sein?
Abschluss
Der Kampf gegen Klassismus ist kein einfaches Unterfangen. Es erfordert Mut, Ehrlichkeit und Zusammenarbeit. Doch wenn wir wirklich eine gerechtere Gesellschaft schaffen wollen, dürfen wir dieses Thema nicht länger ignorieren. Armut ist nicht das Problem – sie ist vielmehr ein Symptom eines Systems, das bestimmte Gruppen systematisch benachteiligt.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür kämpfen, dass niemand mehr wegen seiner sozialen Herkunft diskriminiert wird. Denn letztlich profitieren wir alle davon, wenn wir eine Gesellschaft bauen, in der jeder* die Chance hat, sein volles Potenzial zu entfalten.
Mit herzlichen Grüßen,
Schwabing Dog
P.S.: Falls Sie Interesse an weiterführenden Texten haben, empfehle ich Ihnen die Bücher von Andreas Kemper und Christian Baron. Ihre Einsichten sind unbezahlbar!
Klassengesellschaft Deutschland Die sozioökonomische Ungleich nimmt zu